Agrarkulturelle Grundlagen für eine vielfältige Landwirtschaft – unverzichtbar für die Bienengesundheit. Eine schöpfungsethische Perspektive

Vortrag Dr. Clemens Dirscherl am 02.06.2016 im Landkreispavillon

Dr. Dirscherl, Geschäftsführer des „Evangelischen Bauernwerks Württemberg e.V.“ in Hohebuch, war der erste Vortragsredner in der Themenreihe „Landwirtschaft und Bienen“, die der Bienenzuchtverein Hohenlohe-Öhringen für die Landesgartenschau in Öhringen vorgesehen hat. Insgesamt sind in der Reihe 3 Vorträge mit jeweils hochkarätigen Referenten geplant.

Dr. Discherl
Dr. Discherl

Beide Kirchen, die katholische wie die evangelische, sind sich einig: Es gibt nur einen Weg: die Schöpfung bewahren. Papst Franziskus schrieb das Buch „Laudato si“ – Dirscherl empfahl es gleich zu Beginn. „Laudato si“ bedeutet Lob Gottes über die Schöpfung. Die Ethik der Landnutzung entspringt der religiös-spirituellen Sehnsucht nach Klärung der menschlichen Stellung im Kosmos. Haben die Menschen den Auftrag, die von Gott geschaffene Welt zu hegen und zu pflegen und Vernichtung zu verhindern? Ja, denn destabilisierende Eingriffe des Menschen in Ökosysteme erwiesen sich bisher als furchtbare Taten, die sich an Tieren, Menschen, am Klima, am Wasser und am Boden rächten.

Heute stellt sich das Thema, so Dirscherl, als „Luxusthema“ dar. Warum Luxus?

 

Publikum beim Vortrag von Dr. Discherl
Publikum beim Vortrag von Dr. Discherl

Schauen wir in die Vergangenheit: Erst Ende des 19./Anfang des 20. Jh.s begann die Mechanisierung auch in der Landwirtschaft, Erleichterung für die schwere körperliche Arbeit zu schaffen. Bis dahin schuftete der Bauer fürs tägliche Überleben, für die Deckung der Grundbedürfnisse. Und erst nach dem 2.Weltkrieg konnte sich dieser oder jener Landwirt einen kleinen Traktor leisten. Mit der Zeit wurden die Maschinen auf den Feldern größer und größer und immer effektiver. Eine solche Investition musste sich lohnen. Sie musste in der Fläche und im Zeiteinsatz breit angelegt sein. Immer größer, immer schwerer, immer mehr spezialisiert wurden die Maschinen gebaut und eingesetzt. Wo diese Entwicklung hinführt, kann auf der „Agritechnika“ in Hannover besichtigt werden: GPS-gesteuerte Roboter bearbeiten den Acker. Bäume oder Sträucher sind hier im Weg. Klare Flächen werden gebraucht. Es geht um industriellen Fortschritt, nicht ums Bewahren.

Mit dem „Fortschritt“ kam die Beschleunigung in die Landwirtschaft. Mit „Glyphosat“ der Fa. Monsanto konnten alle unerwünschten Beikräuter flächendeckend und gleichzeitig vernichtet werden. Schnell und gleichzeitig ließ sich das Feld ab-ernten. Bienen fanden auf Feldern keine Nahrung mehr. Aus der „Agrarkultur“ wurde „Agrarbusiness“. Landwirte waren und sind in diese Entwicklung eingebunden. Sie können nicht ausbrechen. Nicht alle können auf „Bio“ ausweichen. In allen europäischen Sprachen gab es den Begriff des „agriculture“, abgeleitet von „colere“= pflegen, fürsorgen, hegen. Damit ist es vorbei.

10mg Glyphosat in einem Liter „Spritzbrühe“ beeinträchtigt das Orientierungsverhalten der Bienen, wie aus einer gemeinsamen Studie von Wissenschaftlern aus Argentinien und Deutschland hervorgeht. Selbst wenige, kurzzeitige Kontakte mit Glyphosat stören den Lernprozess für den direkten Heimflug. Jährlich werden mehrere Tausend Tonnen auf 39% der Ackerflächen ausgebracht. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stuft Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend“ ein.

Vorbei mit dem schönen Bild aus einem alten Kirchenlied (16.Jh.) „Die unverdrossne Bienenschar fleugt hin und her, sucht hier und dar ihr edle Honigspeise.“

In unserer Gesellschaft hat sich das ökonomische Denken gefestigt. Es geht immer um Rentabilität. Die Technik hat sich Dominanz verschafft. Nun müssen wir Imker uns fragen, ob auch wir uns schon in der Gedankenwelt von Rentabilität, von Wettbewerbsfähigkeit, von Rationalität häuslich eingerichtet haben. Oder müssen, wollen, können wir umdenken?

Die Landwirtschaft will wohl nicht umdenken. Wie könnte es sonst sein, dass ein sächsischer Landwirtschaftsminister Dr. Clemens Dirscherl als „Kirchenromantiker aus dem Puppenstubenbauernland BW“ bezeichnen darf. Ausgerechnet ein Mann aus einem neuen Bundesland, in dem Bauern enteignet und der Boden gigantisch großer, zusammengelegter Felder systematisch kaputt gespritzt wurde!

Wer setzt sich denn überhaupt gegen „Agrarwüsten“ ein? Das sind Umweltorganisationen wie der NABU oder „Greenpeace“. Aber diese haben keine Durchschlagskraft. Ihre Stimmen werden abgehakt unter „Ach, die haben ja immer was dagegen!“ Erstaunlich: Die Argumente der Imker jedoch werden gehört! Als ein Imker aus Bayern sagte, er müsse aufs Etikett schreiben, dass sein Honig genveränderte Pollen enthalte, und ihn deshalb keiner mehr kaufen würde, wurden die Politiker aufmerksam. Imker bringen wichtige Akzente in die Diskussion. Wir sollten unseren Stimmen an der richtigen Stelle Gehör verschaffen!

Beim Umdenken müssen wir uns grundsätzlich erst einmal klar werden, was wir unter „Natur“ verstehen. Junge Leute im Teenager-Alter wurden gefragt, was sie sich unter „Natur der Zukunft“ vorstellen. Ihre Antwort: Mais, Mais, Mais, dazwischen breite asphaltierte Straßen, auf denen die Inliner nur so dahin preschen. Was wollen denn die, die älter als 17 sind?

Natur ist uns Menschen wichtig. Natur macht uns aber auch Angst. Trotz Hochtechnologie ist vieles nicht zu steuern. Die weltweit relevante Frage, ob die Klimaveränderungen menschengemachte Ursachen haben oder nicht, wird nicht übereinstimmend beantwortet. Zurzeit hält man sich gern an der Naturromantik fest. Diese entspricht nicht der Wahrheit, denn es gibt Krankheiten, Tod, Zerstörungen. Natur ist nicht nur lieb. Auch den Bienen können wir kein Paradies auf Erden bieten. Bienen lassen sich auch nicht auf Knopfdruck steuern. Wir müssen das akzeptieren und respektieren. Leben bedeutet Umgang mit guten und mit schlechten Jahren, mit Abwechslung. Das ist Agrarkultur, sagt Dirscherl, anzuerkennen, dass sich nicht alles rechnungsmäßig steuern lässt. Ethisch gesehen wird erwartet, dass wir dieses respektieren und nach Möglichkeiten reagieren. Dass wir weise, fürsorglich und kreativ vorgehen, die Vielfalt und Vielgestaltigkeit anerkennen und unsere Weisheit in die Landwirtschaft einfließen lassen. Wollen wir wirklich die Entwicklung zum Einheitsgeschmack, die Uniformität der Sinneseindrücke? Wollen wir ein industrielles Leitbild, wie es in den USA bereits sichtbar ist?

Vielleicht gibt es noch Hoffnung. Aktuell kehrt das Studienfach „Agrarökologie“ an die landwirtschaftlichen Hochschulen zurück. Nicht nur Themen wie „Kosten senken“, „Rentabilität“, die die Ausbildung dominieren, sondern mehr Sensibilität im Umgang mit Ressourcen, mit der Biodiversität, mit dem Erhalt der Tier- und Pflanzenvielfalt.

In der Landwirtschaft der Zukunft spielt das enorme Wachstum der Weltbevölkerung eine große Rolle. Was es zu bedenken gibt: Wenn alle Menschen in der Zukunft so leben wollen wie wir, kommt der größte Flächenverbrauch und die intensivste Landnutzung weltweit auf uns zu. Denken wir an den Fleischhunger, an den wachsenden Wohnraumbedarf, an Flächen für Freizeitgestaltung usw. Das ist eine globale Herausforderung! Die nur zu meistern ist mit der Veränderung des Lebensstils. Wir müssen bereit sein für Genügsamkeit. Schaffen wir das? Eins ist jetzt schon sicher: Streuobstwiesen werden verschwinden.

Wo finden wir Bündnispartner in dem Bemühen, so viel Natur wie möglich zu retten? In der Tourismuswirtschaft, in der Wirtschaft ( Attraktivität des Wohnumfelds für hochbezahlte Mitarbeiter) oder in den Heimatvereinen! Der Verbraucher in Baden-Württemberg – man muss es so sagen – versagt als Rettungspartner. „Geiz ist geil“ ist für viele immer noch die oberste Maxime. Deutsche sind traditionell anders geprägt als beispielsweise die Franzosen. Dem Franzosen sind in erster Linie Geschmack und Frische wichtig. Der Deutsche greift zum Billigfleisch. Die Haltung der Schlachttiere soll aber trotzdem tiergerecht sein. Es gibt also viel zu denken und viel zu tun!

Zum Weiterlesen: Das zum Thema passende Buch von Dr. Clemens Dirscherl heißt „Landwirtschaft – ein Thema der Kirche“ (kostet ca. 20€)
Beitrag von Karin Laute